Forscher des „Institute of Human Origins and School of Human Evolution and Social Change“ in Arizona (USA) fanden in einer Studie heraus, warum bei uns Menschen im Gegensatz zu unseren nächsten Verwandten, den Primaten, die Weisheitszähne erst vergleichsweise spät herauskommen.
Paläontolog:innen stellten fest,
dass beim Menschen die Backenzähne im Durchschnitt mit sechs, zwölf und 18
Jahren herauskommen, während Schimpansen diese bereits mit drei, sechs und
zwölf Jahren bekommen.
Was sind die Weisheitszähne?
Die Weisheitszähne, auch als dritte Molaren (Backenzähne) bezeichnet, brechen bei den meisten Menschen erst spät, oft ab dem achtzehnten Lebensjahr, durch. Zumeist wachsen zwei Exemplare jeweils im Ober- und Unterkiefer, es gibt aber große Unterschiede im Zeitpunkt des Durchbruchs und der Anzahl der angelegten Weisheitszähne.
Früher wurde Alter mit Weisheit assoziiert, weshalb die dritten Backenzähne auch ihren Namen „Weisheitszähne“ erhielten.
Interessante Unterschiede zu den Primaten
In der im Oktober 2021 veröffentlichten Studie fand die Forschungsgruppe um Halszka Glowacka und Gary T Schwartz heraus, dass Menschen sich von ihren nächsten Verwandten deutlich im Wachstumsmuster ihrer Kiefer und der Gesichtsarchitektur unterscheiden. Verglichen mit Primaten habe der Mensch eine deutlich verlangsamte Wachstumsgeschwindigkeit der Kiefer. Dies führe letztendlich zu einem eingezogeneren, flacheren Gesicht und kürzeren Zahnreihen.
Durch diese besondere Anatomie wirke auf die Zähne ganz hinten im Kiefer besonders viel mechanische Belastung beim Kauen ein. Würden unsere Weisheitszähne so früh im Leben herauskommen wie bei den Primaten, könnte unser Kiefergelenk Schaden nehmen. Auch die vergleichsweise lange Lebensspanne des Menschen begünstige eine eher gemächliche Entwicklung des Gesichtsschädels. Im Vergleich zu unseren nächsten Verwandten zeigten menschliche Kiefer kürzere Zahnreihen und unser Gesicht sitze eher unter dem Gehirnschädel als davor, wie bei Primaten.
In der Studie, welche in der
Fachzeitschrift Science Advances vorgestellt wurde, nannten die Forschenden das
Zusammenspiel zwischen Mechanik der Kaumuskeln und dem Wachstum unseres
Gesichts als Hauptgrund für das späte Erscheinen der Weisheitszähne. So
entstehe der notwendige Platz im Kiefer für die Weisheitszähne beim Menschen
erst später im Leben, während bei Primaten das Kieferwachstum schon früher das
Durchbrechen der dritten Molaren erlaube. Affen wie Schimpansen oder Gorillas,
so die Wissenschaftler, besäßen stärker hervorstehende Kiefer, so sei früher in
ihrem Wachstum Platz für die dritten Backenzähne.
Professor Gellrich kommentiert diese Forschungsergebnisse auf stern.de: "Der Zahnwechsel ist ein
langsamer Prozess. Die Weisheitszähne brechen als letzte durch, und zwar erst
dann, wenn die Schädel- und Kieferknochen nicht mehr wachsen. Dieser Zeitpunkt
ist bei jedem Menschen unterschiedlich und liegt irgendwo zwischen dem 16. und
40. Lebensjahr. Erst dann brechen die Weisheitszähne durch - vorausgesetzt, sie
haben genug Platz."
Ist die Entfernung der Weisheitszähne immer notwendig?
Die Entfernung der Weisheitszähne zählt zu den am häufigsten durchgeführten ambulanten Operationen in Deutschland. Dabei wird ein Schnitt am Kieferkamm gesetzt und der umgebende Knochen weggefräst, bis der Zahn herauszogen werden kann. Dann wird die Wunde per chirurgischer Naht verschlossen. Die postoperative Erholung nimmt etwa eine Woche in Anspruch. Zu den heilungsfördernden Maßnahmen nach der OP zählen die Einnahme von Schmerzmitteln, Kühlung der Wunde sowie der Verzicht auf Koffein, Tabakrauchen und Milchprodukte. Auf sportliche Aktivität und Wärmebelastung in Sauna oder Solarium sollte verzichtet werden. Die Nahrungsaufnahme kann langsam mit Suppen oder Brei begonnen werden.
Ob die dritten Molaren bei jedem Menschen herausoperiert werden müssen, ist ein Thema, bei dem sich Mediziner uneinig sind. Während der Eingriff in Großbritannien nur bei durch die Weisheitszähne verursachten Beschwerden durchgeführt wird, scheinen deutsche Zahnärzte deutlich schneller zum Skalpell zu greifen. Wie jeder Eingriff birgt auch diese Operation Risiken. Daher positioniert sich Professor Nils-Claudius Gellrich von der Medizinischen Hochschule Hannover gegen die prophylaktische Entfernung, solange die Zähne im Kiefer genug Platz haben und keine Probleme verursachen.
Zeichen für eine notwendige Operation können beispielsweise Kiefer- oder Kopfschmerzen sein. Die Begutachtung der Backenzähne durch den Zahnarzt sowie ein Röntgenbild des Kiefers können Klarheit verschaffen, ob die Weisheitszähne wirklich entfernt werden müssen.
Perspektiven für die Zukunft
Für die Zukunft schafft die Studie der amerikanischen Wissenschaftler neue
Ansätze für weitere Forschungsarbeiten. Das Team der Arizona State University
will mithilfe der Schädel unserer menschlichen Vorfahren herausfinden, wann
genau sich in unserer Entwicklungsgeschichte das Kieferwachstum verlangsamte.
Aber nicht nur für die Paläontologie bietet die Arbeit neue Ansätze – auch
moderne Zahnärzte könnten davon profitieren.
Die neu gewonnen Erkenntnisse könnten mittels weiterer Studien vertieft werden, um herauszufinden, warum die Weisheitszähne bei manchen Patienten fehlerhaft wachsen oder in einer ungünstigen Position einklemmen. So hat diese Arbeit sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit interessante neue Aspekte ergeben.