Cannabis-Legalisierung in Deutschland – wann ist damit zu rechnen?
![Cannabis-Legalisierung in Deutschland – wann ist damit zu rechnen?](https://www.lausitznews.de/storage/images/teaser/2023-10-28/cannabis-legalisierung-in-deutschland-wann-ist-damit-zu-rechnen_25823_teaser.jpg)
Die gute Stimmung steigerte sich noch, als SPD, Grüne und FDP ein Koalitionspapier verfassten, das ausdrücklich die zukünftige “kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften” erlaubt. Die Realität hat die Verantwortlichen im Gesundheitsministerium, das die Federführung über das Projekt übernahm, schnell eingeholt. Zu komplex und undurchdacht wurden die ersten Schritte zur Umsetzung unternommen. Schnell wurde sichtbar, dass vor allem die Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) das Vorhaben im Keim ersticken könnte.
Daher hat Gesundheitsminister Lauterbach einen Vorschlag erarbeitet, der nur noch eine Teil-Legalisierung vorsieht. Dieser wurde letzte Woche im Bundestag verlesen und an die Fachausschüsse verwiesen. Die zweite und dritte Lesung ist auf den 16. November terminiert. Läuft alles nach Plan, kann das Gesetz zum 1.1.2024 in Kraft treten.
Welche Ziele werden mit der Legalisierung verfolgt?
Die ursprüngliche Fassung des Legalisierungs-Gesetzes war weit gefasst. So sollten sowohl der Anbau als auch der Handel und der Konsum flächendeckend erlaubt werden. Auch der Anbau einer gewissen Anzahl weiblicher Hanfpflanzen für den Eigenverbrauch sollte möglich sein.
Die Ampel ging dabei von der Annahme aus, dass Cannabis inzwischen in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz gestoßen ist. Überdies ist nach Jahrzehnten des Verbots festzustellen, dass weder der Konsum noch die damit verbundene Kriminalitätsrate eingeschränkt werden konnten. Umfrageergebnisse weisen darauf hin, dass etwa 3 Millionen Deutsche regelmäßig einen Joint dem Alkohol zur Entspannung vorziehen. Die Regierung sah die Zeit gekommen, um das Verbot zu kippen. Sie verfolgt mit der Legalisierung folgende Ziele:
- Mit der Abgabe von kontrollierten Produkten ohne Verunreinigungen soll der Gesundheitsschutz der Konsumenten gestärkt werden.
- Bisher sind Konsumenten gezwungen, ihre Ware beim “Dealer um die Ecke" zu kaufen. Vor allem junge Menschen laufen Gefahr, dabei mit härteren Drogen in Kontakt zu kommen. Eine regulierte Abgabe soll das verhindern und den Jugendschutz stärken.
- Solange das Verbot besteht, müssen auch Bagatellfälle zur Strafverfolgung gebracht werden. Dieser Umstand blockiert viele Ressourcen von Polizei und Justizapparat, die bei der Verfolgung von Schwerkriminellen fehlen. Mit der Legalisierung sollen diese Potenziale freigesetzt werden.
- Jedes Gramm, das legal erworben wird, wird dem Schwarzmarkt entzogen. Es ist davon auszugehen, dass auf diesem Weg der Schwerkriminalität zumindest zum Teil die Geschäftsgrundlage entzogen wird.
- Mit der legalen Abgabe geht eine Besteuerung einher, die Milliarden in die Kassen des Fiskus spülen würde. Diese Gelder sind für Projekte der Prävention und des Gesundheitsschutzes gedacht.
Cannabis seit 2017 schon für medizinische Zwecke erlaubt
Befeuert wurde der Wunsch nach einer Legalisierung durch den Umstand, dass Cannabis schon seit 2017 in der Medizin zum Einsatz kommt. Vor allem Menschen in schmerztherapeutischer Behandlung profitieren von Medikamenten, die auf Wirkstoffen der Jahrtausende alten Heil- und Nutzpflanze Hanf basieren. Es erscheint nicht ganz nachvollziehbar, warum der gleiche Wirkstoff Kranken bei der Symptombekämpfung helfen und Gesunde krank machen sollte.
Legalisierung nicht wie geplant umsetzbar
Den
ursprünglichen Plänen Lauterbachs stehen zwei Regelungen gegenüber, aufgrund
derer er sich veranlasst sah, eine abgespeckte Form der Legalisierung zu
verfassen, auf die weiter unten eingegangen wird. Der Minister schickte diese
Fassung zur EU-Kommission, mit der Hoffnung, die dortigen Verantwortlichen zu
überzeugen.
Mit dem Schengen-Abkommen von 1985 wurde der freie Verkehr von Waren und Personen innerhalb des Gebietes der Staatengemeinschaft vereinbart. Da diese Vorgaben auch für Drogen gelten, wurden einige Zusatzvereinbarungen getroffen, die den grenzüberschreitenden Verkehr und Handel von Suchtstoffen verbieten.
Das EU-Strafrecht formuliert zudem in einem Rahmenbeschluss von 2004 Mindestvorschriften, die den Tatbestand des Drogenhandels beschreiben. Danach sind innerhalb der Gemeinschaft das “Anbieten, der Vertrieb und die Lieferung von Drogen” mit Verboten belegt.
Das 2-Säulen-Modell der Legalisierung
Die neueste Form der Legalisierung wird nun in einem sogenannten "2-Säulen-Modell" vorangetrieben. Trotz der abgeschwächten Form geht der Minister davon aus, dass die genannten Ziele weiterhin zu erreichen sind. Das Modell soll jetzt in zwei Phasen durchgezogen werden, wobei die erste den Konsum und den Anbau betrifft und bis Ende des Jahres in ein Gesetz umgesetzt werden soll.
Danach wird die zweite Phase eingeläutet, bei der in ausgewählten Modellregionen der Handel und die Lieferketten erprobt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der wissenschaftlichen Begleitung der Prozesse.
Säule 1 der Cannabis-Legalisierung in Deutschland
Die erste Säule ist weitestgehend ausformuliert und liegt gerade in den Ausschüssen. Die wesentlichen Eckpunkte werden nachfolgend zusammengefasst:
- Deutschland streicht Cannabis von der Liste der besonders gefährlichen Substanzen.
- Der Anbau wird in sogenannten “Social-Clubs” organisiert. Diese handeln nicht gewinnorientiert und die Mitgliederzahl der einzelnen Vereine ist auf 500 Personen im Erwachsenenalter begrenzt.
- Die Abgabe von Cannabis ist nur an Mitglieder erlaubt und unterliegt einer strengen Qualitätskontrolle.
- Jeder Verein ist zur Benennung eines Suchtbeauftragten verpflichtet und muss ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept vorlegen.
- Es besteht für die abgegebenen Mengen eine umfassende Dokumentationspflicht.
- Jeder Erwachsene kann drei Pflanzen für den Eigenverbrauch hochziehen.
- Jeder Erwachsene darf bis zu 25 Gramm besitzen. Frühere Einträge ins Strafregister, die sich auf diese Menge oder weniger beziehen, werden auf Antrag gelöscht.
- Import und Export sowie die Herstellung von synthetischem Cannabis bleiben verboten.
- Im Umkreis von 200 Metern um Kindergärten, Schulen und sonstige Jugendeinrichtung bleibt der Konsum untersagt.
- Die Maßnahmen und deren Resultate werden nach 4 Jahren auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Säule 2 der Cannabis-Legalisierung
Die 2. Säule der Legalisierung befindet sich noch in der Planungsphase. Vorgesehen ist, dass der flächendeckende Anbau und der kommerzielle Vertrieb über lizenzierte Ausgabestellen in sogenannten Modellregionen erprobt werden. Der Versuch ist auf einen Zeitraum von 5 Jahren ausgelegt.
Der Modellversuch wird wissenschaftlich penibel untersucht werden. Dabei stehen neben den Lieferketten vor allem der Gesundheits- und Jugendschutz im Fokus. Außerdem wird sich auf die Auswirkungen der Legalisierung auf den Schwarzmarkt konzentriert. Besonders die wissenschaftliche Beteiligung stellt Lauterbach bei der Frage in den Vordergrund, wie die Hardliner in der EU-Kommission überzeugt werden könnten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt (Oktober 2023) ist noch nicht definiert, wie sich die Modellregionen zusammensetzen.
Fazit
Die Ampel ist mit großen Ambitionen angetreten, um das Cannabis-Verbot zu kippen. In der Regierung angekommen, stellten die Verantwortlichen schnell fest, dass dieses Vorhaben weitaus komplexer ist, als es sich bisher darstellte. Schließlich handelt es sich dabei um ein Gesetz, das schon seit Jahrzehnten international verankert ist.
Doch auch in der abgeschwächten Form machen sich einige Fortschritte bemerkbar. Vor allem wird dargestellt, dass es sich bei Cannabis eben nicht um eine tödliche chemische Droge wie Heroin oder Ecstasy handelt. Zudem wurde mit der Erhöhung des Eigenbedarfs auf 25 Gramm ein bundesweit einheitliches Limit gesetzt, mit dem die meisten Bagatellfälle nicht mehr in der Strafverfolgung landen.