Afrikanische Schweinepest bedroht Existenz der Schweinehalter - Offener Brief Landrat Harigs
Es ist fünf nach zwölf - ein Hilferuf
Sehr geehrter Herr Bundesminister Özdemir,
sehr geehrter Herr Staatsminister Günther,
das Weltgeschehen und die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich neben der Corona-Pandemie insbesondere auf den aktuellen Konflikt in Osteuropa,- zwischen der Ukraine und Russland. Angesichts dessen scheinen die Herausforderungen, welche mit der Bekämpfung von Tierseuchen am Beispiel der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verbunden sind, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung bestenfalls eine Randnotiz wert zu sein.Dabei geht es um die Existenz der hiesigen Landwirtschaft im Allgemeinen und der Schweinehaltenden Betriebe im Besonderen. Die Verbreitung der ASP von Osteuropa her führt dazu, dass das gesamte Gebiet der sächsischen Oberlausitz - die Landkreise Bautzen und Görlitz - aus sogenannten Restriktionszonen besteht.
Durch die in der Vergangenheit erfolgte Konzentration der Schlachtkapazitäten in Deutschland besteht der Umstand, dass Tiere aus den Restriktionsgebieten derzeit nur an wenigen dafür benannten Schlachtbetrieben im gesamten Bundesgebiet geschlachtet werden dürfen. Unabhängig davon, dass diese Einschränkung für nachweislich gesunde Tiere an sich fragwürdig ist, sind u.a. die langen Transportwege mit dem Anspruch nach Tierwohl kaum vereinbar. Wegen der beschränkten Schlachtkapazitäten ist ein erforderlicher Absatz nach Erreichung der Zielgewichte nicht gegeben. Die Folge davon sind höhere Schlachtgewichte mit entsprechendem Futteraufwand. Nicht vermarktbare, weil zu schwere Tiere blockieren Stallflächen und verhindern planmäßige Neuaufstallungen. In der Konsequenz verlieren die Betriebe dreistellige Beträge je Schlachttier. Eine wirtschaftliche Existenz ist nicht mehr gegeben. Die Tierhalter sind zum Aufgeben gezwungen.
Eine wirtschaftliche Unterstützung der Betriebe im Sinne von Überbrückungshilfen scheitert regelmäßig am Europäischen Beihilferecht (De minimis). Letzteres ist insofern fragwürdig, da im Rahmen der gegenwärtigen Corona- Problematik ganze Branchen mit Milliardenbeträgen (richtigerweise) gestützt wurden.
Was sind also die Folgen?
Schweinehaltende Betriebe verlieren ihre Existenz. Letzteres ist mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen und ländlichen Traditionen in direkter Weise verbunden. Eine ähnliche Betroffenheit geht für Futtermittelwerke- und Händler, technische und kaufmännische Dienstleister und Veterinäre einher. Auch eine Reduktion organischen Materials (Gülle) wird für die Flächenbewirtschaftung und die Biogasproduktion nicht ohne Folgen bleiben. Auf die Preisexplosion bei chemischen Düngemitteln sei der Vollständigkeit halber verwiesen. Die Eigenversorgung mit Schweinefleisch ist im Freistaat Sachsen gegenwärtig ohnehin nur zu 40 % gegeben. Die Quote wird stark sinken, die Abhängigkeit von außen wird dem entsprechend steigen. Der Energiemarkt macht gegenwärtig deutlich, was Abhängigkeiten bedeuten. Letzteres droht dem gesamten Bundesgebiet, da sich die ASP weiter westwärts verlagern wird. Die Oberlausitz und der Freistaat Sachsen fungieren neben Brandenburg zurzeit lediglich als Puffer und tragen für alle Beteiligten in Deutschland und Europa die Lasten - die Lasten im existenziellen Sinne, ohne diese ausgeglichen zu bekommen. Wir sind im Sinne des Wortes die „Bauernopfer".
Was ist also zu tun?
Eine temporäre Reduzierung der Hausschweinbestände im Rahmen der Bekämpfung der ASP wird zwangsläufig eintreten. Die Betonung liegt jedoch auf temporär! Ich fordere die Landwirtschaftsministerien in Bund und Land auf die Situation der betroffenen Betriebe zu erfassen und Übergangsfinanzierungen und Zwischennutzungen unternehmenskonkret zu gewährleisten. Ziel muss es sein nach einem Abklingen der ASP eine Wiederaufnahme der Schweinehaltung in den Bereichen Zucht und Mast zu gewährleisten. Abschließend möchte ich auf die regionalen Kreisläufe, welche in der Region zurzeit (noch) vorhanden sind verweisen. Tierwohl, ökologische Landwirtschaft, Landschafts- und Naturschutz finden gerade darin ihre Grundlagen. Neben diesen wichtigen Faktoren geht es aber auch um Vertrauen, um Menschen, um Traditionen und Wertschätzung.